GTI Reisen: Tourismusmarkt bleibt weiter hart

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GTI Reisen ? kurz für German Travel International ? war ein Reiseanbieter mit Spezialisierung auf günstige Reisen in die Türkei. Im Sommer 2013 wurde unvermittelt die Insolvenz bekannt gegeben. Der Worst Case für ein Unternehmen und gerade in der Touristik immer weniger abwegig. Wie kam es damals dazu, und mit welchen Hürden muss die Branche heute kämpfen?

GTI Reisen: Aufstieg und Fall eines Reiseanbieters

GTI Reisen agierte von Düsseldorf aus. Als Mutter des Unternehmens ist die türkische Kayi Group zu nennen. Mit Schwerpunkt auf günstigen Reisen in die Türkei wurde es im Jahr 1994 gegründet und kam bei den Verbrauchern gut an. In der Blütezeit rangierte GTI Reisen auf Platz acht von Deutschlands zehn größten Reiseveranstaltern. Auf Grund der engen Verbindungen zum Feriengebiet und entsprechend versierten Mitarbeitern, konnte besonderer Service geboten werden. Das war u.a. ausschlagender Faktor für den Aufstieg.

Was führte in die Insolvenz?

Die Reiseveranstalter Buchmal-Reisen, DTI Holland und GTI Polen gehörten zusammen mit der Sky Airlines-Fluggesellschaft und der Riva-Hotelgruppe ebenso wie GTI Reisen zu der türkischen Unternehmensgruppe Kayi. Der Öffentlichkeit wurden missglückte Verkäufe von Unternehmensbeteiligungen und Fehlplanungen im Airline-Geschäft als Hintergründe der Pleite genannt. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von GTI Reisen musste sich sechs Jahre später vor einem Düsseldorfer Gericht verantworten. Es wurde Anklage wegen Untreue und betrügerischem Bankrott erhoben. Im Detail: Der Verantwortliche soll entgegen bessern Wissens die Zahlungsunfähigkeit zu spät gemeldet haben. Des Weiteren wurde ihm Unterschlagung von ca. 10,5 Millionen Euro vorgeworfen. Ein Einwurf seiner Ehefrau veranschaulichte die Größenverhältnisse. Laut ihrer Aussage waren kurzfristig verwehrte Kredite türkischer Banken in Höhe von 45 Millionen Euro ein großer Faktor bei der überraschenden Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters.

Infografik: Der aktuelle Marktausblick für die Tourismus- und Reisebranche Deutschlands. Die Branche verkraftet Pleiten wie jene von GTI Reisen sehr gut. Allerdings dürfte es bis 2024 dauern, bis die Umsätze wieder das Vorkrisenniveau erreichen. (Foto: shutterstock - DisobeyArt)

Infografik: Der aktuelle Marktausblick für die Tourismus- und Reisebranche Deutschlands. Die Branche verkraftet Pleiten wie jene von GTI Reisen sehr gut. Allerdings dürfte es bis 2024 dauern, bis die Umsätze wieder das Vorkrisenniveau erreichen. (Foto: shutterstock – DisobeyArt)

Reisebranche: Corona verschärft und schürt Angst vor einem Schicksal à la GTI Reisen

Einfach ist es in der Reisebranche in Deutschland schon lange nicht mehr. Knappe Umsatzrenditen von zwei bis drei Prozent waren die vergangenen Jahre die Regel. Die Auswirkungen von Corona sowie Konsolidierungsbestrebungen der Branche lassen vor allem KMUs um ihre Existenz bangen. Eine Insolvenz wie von GTI Reisen oder Thomas Cook ist für sie gefühlt greifbar. Bis Februar 2020 ist der deutsche Tourismus nichts desto trotz jahrelang einem Aufwärtstrend gefolgt, analysierte das Statistische Bundesamt. Die Marktsituation für Reiseveranstalter wurde mit Corona schwieriger und führte zu hohen Einbußen.

Insolvenzprognose: Anteil insolvenzgefährdeter Unternehmen der  Branche Reiseveranstalter und Reisebüros pro Bundesland
Bundesland Februar 2020 Januar 2021 Prozentuale Veränderung
Baden-Württemberg 6,3% 7,7% +22,2%
Bayern 4,8% 6,6% +35,9%
Berlin 7,3% 9,8% +35,0%
Brandenburg 5,9% 7,5% +28,0%
Bremen 7,9% 10,8% +42,0%
Hamburg 7,8% 8,5% +8,9%
Hessen 6,4% 8,0% +25,0%
Mecklenburg-Vorpommern 5,6% 7,6% +35,0%
Niedersachsen 4,9% 6,6% +35,0%
Nordrhein-Westfalen 6,8% 8,9% +32,0%
Rheinland-Pfalz 5,3% 7,8% +47,0%
Saarland 7,2% 8,2% +14,0%
Sachsen 7,0% 10,4% +4,8%
Sachsen-Anhalt 9,8% 12,6% +28,0%
Schleswig-Holstein 4,3% 6,0% +40,0%
Thüringen 6,4% 6,8% +6,6%
Quelle: CRIF Bürgel, Vergleich Februar 2020 vs. Januar 2021, Stand Februar 2021

Signifikanter Rückgang des Umsatzes im Vergleich zum Jahr vor Corona

Im Namen des Deutschen Reiseverbands (DRV) wurden Auswertungen von Travel Data + Analytics gemacht. Ein Vergleich zeigt einen Umsatzrückgang bei den Reiseveranstaltern in Höhe von 69 Prozent, gegenübergestellt: die Buchungen des Vor-Corona Jahres 2019 mit Ende September 2021 Umgerechnet entspricht das etwa zwölf Milliarden Euro. Eine Betrachtung des annähernden Totalausfall der Wintersaison 2020/21 zeigt kein besseres Ergebnis. Im Vergleich zu 2019/20 liegt der Umsatzrückgang sogar bei 94 Prozent. Nach Monaten der Einschränkungen konnte sich das Reisebedürfnis dann endlich wieder in Buchungen niederschlagen. So stieg die Urlaubsanfrage im Sommer 2021 erfreulich. Der Buchungs-Stand von 2019 konnte für einige Wochen übertroffen werden. Diese spezielle Reisefreudigkeit führte zu dem angesagten Begriff Revenge Travel, übersetzt Rache-Reisen. Es bringt das Nachholbedürfnis und Rache zusammen, die in einer besonderen Form der Belohnung münden.

Infografik: Die Top 10 der Reiseveranstalter in Deutschland. Die Reiseveranstalter werden hier an ihrem Gesamtumsatz im Jahr 2019 gemessen. (Foto: shutterstock - MrMax)

Infografik: Die Top 10 der Reiseveranstalter in Deutschland. Die Reiseveranstalter werden hier an ihrem Gesamtumsatz im Jahr 2019 gemessen. (Foto: shutterstock – MrMax)

Verändertes Reisebedürfnis durch Corona

Die Begleiterscheinungen der Pandemie haben die Bedürfnisse der Bürger verändert. Zum einen liegt das an Rahmenbedingungen, die adaptiert wurden, wie z.B. flexiblere Arbeitsbedingungen. Zum anderen liegt das an mangelnder Verlässlichkeit in der Planung, die in den vorigen zwei Jahren nur eingeschränkt möglich war. Flexibilität sowie Sicherheit sind im Ergebnis wichtiger geworden. 2021 wurde so kurzfristig gebucht wie nie zuvor. Im Juli ging der Trend zu einer Buchung unter vier Wochen vor Abreise, dies traf auf 55 Prozent aller Reisen zu. Im August stieg diese Zahl sogar auf 61 Prozent. Der Urlaub in der Heimat ist ebenso als Trend auszumachen. Die Deutschen machten im Jahr 2021 am liebsten im eigenen Land Urlaub, dies ergab eine Analyse von HomeToGo, einem Marktplatz für Ferienunterkünfte. Ferienwohnungen wurden ebenso intensiv nachgefragt. Herausforderung für den Reiseanbieter: Das Angebot muss an die neuen Anforderungen des Kunden angepasst werden. Die Stichwörter heißen dabei: Flexibilität in den Buchungskonditionen, Kombination von Unterkunft und Arbeitsplatz sowie Heimatpakete mit Selbstversorgungsoption. Eine Garantie für die Zukunft ist nie gegeben, aber es ist ein Schritt mit der Zeit und tendenziell weg von einem Schicksal à la GTI Reisen.

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